Blicke auf Egon Schiele: Symposium im Leopold Museum

11.11.2019

Mit Vorträgen von Eric Kandel, Gemma Blackshaw, Elisabeth von Samsonow u. a.

Wien (OTS) - Am Sonntag luden Direktor Hans-Peter Wipplinger und Verena Gamper, Leiterin des Egon Schiele Dokumentationszentrums im Leopold Museum, zum dritten Egon Schiele gewidmeten Symposium. Im Rahmen der ganztägigen Veranstaltung näherten sich namhafte internationale wie österreichische Vortragende dem Werk und Wirken von Egon Schiele aus unterschiedlichen Perspektiven.

Zum Auftakt hielt Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel den Vortrag „The Age of Insight: The Origins of Modernist Thought“. Der weltweit renommierte Neurowissenschaftler ist Professor an der Columbia University New York sowie Seniorwissenschaftler des Howard Hughes Medical Institute und widmet sich in seiner Forschung der Erinnerung und dem Gedächtnis des Menschen. Bereits vor zehn Jahren wurde Kandel, der als Kind vor dem nationalsozialistischen Regime in die USA flüchtete, zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt – in den Tagen vor dem Symposium nahm er den „Goldenen Rathausmann“ von Bürgermeister Michael Ludwig entgegen, erhielt mit dem „Großen Ehrenzeichen am Bande“ die höchste Auszeichnung der Ärztekammer für Wien und wurde von der Universität Wien sowie der Medizinischen Universität Wien anlässlich seines 90. Geburtstags gefeiert. In seinem Buch „Das Zeitalter der Erkenntnis“ fokussiert Kandel auf Wegbereiter der Wissenschaft, Medizin und Kunst in Wien um 1900, die das Verständnis vom Wesen des Menschen prägen sollten, darunter Sigmund Freud und Arthur Schnitzler, sowie Gustav Klimt, Oskar Kokoschka und Egon Schiele.

Gemma Blackshaw, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Senior Tutorin am Royal College of Art London, präsentierte unter dem Titel „Egon Schiele‘s Clinical Modernism“ Einblicke in ihre aktuelle Forschung. Blackshaw, die zum Thema der modernen Wiener Portrait- und figurativen Kunst, mit speziellem Fokus auf deren Überschneidung mit dem visuellen, institutionellen und therapeutischen Rahmen moderner Medizin publiziert, fokussierte in ihrem Vortrag auf die Verflechtung klinischer Medizin mit moderner figurativer Kunst. Anhand von Egon Schieles 1910 entstandener Serie von Studien schwangerer Frauen an der Zweiten Frauenklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Universität Wien, sowie seines Gemäldes von Dr. Erwin von Graff, Assistent des Direktors der Klinik, veranschaulichte sie Schieles „Klinischen Modernismus“ und die Verbindungen zwischen den zur damaligen Zeit progressiven Einrichtungen und Schieles Abbildungen des weiblichen Körpers als Objekt der Medizin.

Seit 2009 setzt sich die Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow anhand von Forschungen im Zusammenhang mit dem Nachlass von Anton Peschka jr. mit Schiele auseinander. In ihrem Vortrag „Archäologie und Mineralogie – Egon Schieles produktive Auseinandersetzung mit Moriz Hoernes und Wilhelm Worringer“ ging von Samsonow der Art und Weise nach, wie Schiele Lektüren und Abbildungen in den sich im Nachlass befindenden Publikationen des Prähistorikers Moriz Hoernes sowie in mineralogischen Lehrbüchern in moderne visuelle Konzepte übersetzte. Die Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien stellte Zusammenhänge zwischen Schieles Mineraliensammlung, seinen Mineralienbüchern und seinen wie mineralisiert wirkenden Städteporträts her und veranschaulichte, wie Schiele auf bahnbrechende archäologische Entdeckungen, etwa jene der Venus von Willendorf 1908, künstlerisch reagierte.

In seinem Vortrag „Ikone Schiele“ ging Patrick Werkner, ehemaliger Professor für Kunstgeschichte und Leiter der Kunstsammlung der Universität für angewandte Kunst Wien, von Werken aus, in denen sich der Künstler selbst in die Nähe des Heiligen rückte. Insbesondere fokussierte Werkner auf Schieles Selbstinszenierung in den Fotografien von Anton Josef Trčka. Vor Schieles Gemälde Begegnung von 1913 treffen im Foto von Trčka die symbolische, gedankenschwere Malerei Schieles jener Zeit und die „reale“ Person des Künstlers in widerspruchsvoller Weise aufeinander.

Verena Gamper, Kuratorin und Leiterin des Egon Schiele Dokumentationszentrums am Leopold Museum, nahm unter dem Titel „,Die Ausstellung ist heute unentbehrlich.’ – Schiele und das Medium Ausstellung“ diesen erweiterten Inszenierungsraum in den Fokus und analysierte die Reflexion des Künstlers auf Präsentationszusammenhänge, Vermarktung, Image- und Meinungsbildung anhand seiner Ausstellungstätigkeit bis 1915. Exemplarisch untersuchte sie die Rolle von Autografen, Ausstellungskatalogen und -rezensionen für die Schließung von Lücken in der Forschungslage, und betrachtete strukturelle Parameter wie Jury, Zensur und Verfügbarkeit, die Einfluss auf die Werkauswahl hatten. Gamper zeichnete den Wandel von Schieles jugendlicher Euphorie gegenüber der Ausstellung zu Beginn seiner Karriere zu einer relativen Delegierung der Ausstellungsagenden in den intensiven Vorkriegsjahren an Arthur Roessler und Hans Goltz bis hin zur Emanzipation und Positionierung als souveräner Stratege nach.

Schließlich präsentierten Stefanie Jahn, Agathe Boruszczak und Sandra Maria Dzialek neue Erkenntnisse zu Gemälden Schieles aus den Sammlungen des Belvedere und des Leopold Museum aus restauratorischer Perspektive.

Stefanie Jahn, Leiterin der Abteilung Restaurierung der Österreichischen Galerie Belvedere Wien, widmete ihren Vortrag der 2017 durchgeführten systematischen Untersuchung von sechzehn in den Jahren 1907 bis 1918 entstandenen Gemälden aus der Sammlung des Belvedere im Hinblick auf die Maltechnik von Egon Schiele. Hierbei offenbarte sich, dass der Künstler allen Materialien eine nahezu gleichwertige Bedeutsamkeit einräumte – erst im individuellen Zusammenspiel von Bildträger, Grundierung, Kompositionslinien und Farben entwickelte er das Dargestellte und gab seiner Arbeit charakteristische Züge.

Agathe Boruszczak, Restauratorin der Österreichische Galerie Belvedere Wien, zeigte in ihrer Präsentation „Die Genese eines Farbenspiels: das Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele“ auf, wie mithilfe von Bildbearbeitungsprogrammen auf digitalem Wege eine Annäherung an das ursprüngliche Erscheinungsbild des Werks erstellt wurde, das 1918 von der Österreichischen Staatsgalerie angekauft und offenbar auf Wunsch des damaligen Direktors Franz Martin Haberditzl von Schiele überarbeitet wurde.

Sandra Maria Dzialek, Restauratorin des Leopold Museum Wien, beleuchtete anhand des großformatigen Gemäldes Eremiten aus maltechnischer Perspektive die Formfindung vor und während des Malprozesses. Lineare Gestaltungsmittel wie die Unterzeichnung, Ritzungen der Malschicht, oder pastose Malschichtpartien gaben Aufschluss über inhaltliche Aspekte und den Prozess der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Werks.

Link zu Fotos der Veranstaltung, © Leopold Museum, Wien/Foto: Nadine Bargad:
https://we.tl/t-Ujq3UkYygb

Am 3. Egon Schiele Symposium nahmen rund 210 Personen teil, darunter Denise Kandel, Diethard Leopold, Kurator, Sammler, mit Waltraud Leopold, William Rees, Professor University of British Columbia, mit Elisabeth Rees, Historiker, Archäologe und Museumsleiter Helmut Swozilek, Christian Bauer, Landesgalerie Niederösterreich, Franz Smola, Belvedere, Theresa Feilacher, Land NÖ, Gerbert Frodl, Kunsthistoriker und ehemaliger Direktor Österreichische Galerie Belvedere mit Kunsthistorikerin Marianne Frodl, Andrea Fürst, Hundertwasser Stiftung, Heidrun-Ulrike Wenzel, Egon Schiele Museum Tulln, Museum Niederösterreich, Alexandra Sattler, Kunstmeile Krems, Kunst- und Zeithistorikerin Sophie Lillie, Katharina Husslein, Beck & Eggeling International Fine Art, Alois Wienerroither, Galerist, Künstlerin Bernadette Huber, Journalistin Hedwig Kainberger, Kuratorin und Journalistin Alexandra Matzner u. a.

Rückfragen & Kontakt:
Leopold Museum-Privatstiftung
Mag. Klaus Pokorny und Veronika Werkner, BA
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