HERBERT BOECKL – HANS JOSEPHSOHN

Archetypen des Figuralen

24.07.2026–10.01.2027

HERBERT BOECKL, Gruppe am Waldrand, 1920 © Leopold Museum, Wien | Foto: Leopold Museum, Wien © Herbert Boeckl-Nachlass, Wien

Die seit der italienischen Renaissance vermehrt gestellte Frage nach der Hierarchie der Künste, die unter anderem den Wettstreit zwischen Malerei und Bildhauerei befeuerte, fand mit dem Beginn der Moderne ihr Ende. In dieser Ausstellung, in der das Werk eines Bildhauers auf jenes eines Malers trifft, geht es nicht um einen kunsttheoretischen Wiederbelebungsversuch der Paragone-Debatte, sondern um einen Dialog zweier Künstlerpersönlichkeiten, die trotz aller Verschiedenheiten in Bezug auf historische, räumliche und kulturelle Konstruktionen überraschende Analogien in formalästhetischer wie werkphänomenologischer Hinsicht aufweisen. Diese Gegenüberstellung von Herbert Boeckl (1894–1966) und Hans Josephsohn (1920–2012), die sich in ihren Leben nie begegnet sind, verdeutlicht dennoch fundamentale Parallelen in deren Auffassung von Körperlichkeit, Materialität und dem Prozess der Formfindung.

Weder Boeckl noch Josephson haben – trotz des verstärkten Auftretens der abstrakten Kunst seit den 1950er-Jahren – den Weg in die Abstraktion beschritten. Sie sind der Gegenstandsbezogenheit und insbesondere der menschlichen Figur als künstlerische Ausdrucksträger treu geblieben. Wiewohl beide einen starken Abstraktionsprozess in ihrer Darstellung menschlicher Körper praktizierten und oftmals auf anatomische Details in ihren Bildwerken verzichteten: Beide strebten danach, das Wesentliche durch radikale Vereinfachung und massive Verdichtung herauszuarbeiten. Dies lässt viele ihrer Figuren entindividualisiert und stilisiert erscheinen und bringt eine universelle Form des Menschlichen zur Darstellung. Trotz oder gerade wegen dieser Reduktion, die die „Porträtierten“ zur reinen Form transformieren, zeichnen sich deren Gestalten durch eine starke Ausdruckskraft aus. Diese spezifische auratische Wirkung wird durch expressive Einfachheit, formale Reduktion und nicht zuletzt durch eine eindrückliche materielle Präsenz evoziert. Das Interesse an der Physis des Materials stellt eine weitere Korrespondenz zwischen den beiden Künstlern dar. Während Boeckl in seiner Malerei die Farbe dick und nahezu skulptural bzw. reliefartig schichtet, arbeitet Josephsohn bei seinen Gipsmodellierungen und den daraus entstehenden Güssen vergleichbar additiv.

 

Gerade weil Moden und Trends von beiden Künstlern ignoriert werden und sie illustrative Vergegenwärtigungsversuche im Keim ersticken, nehmen Zeitlosigkeit sowie eine universelle und elementar, ja geradezu archaisch wirkende Formensprache eine dominante Rolle ein, beispielsweise bei Josephsohns stelenartigen Figuren sowie seinen Köpfen und Halbfiguren, die als zeitlose Monolithe erscheinen. Bei Boeckl wiederum sind es die monumentalen Figurendarstellungen und Landschaften, die eine überzeitliche Wirkung zum Ausdruck bringen. Eine weitere Übereinstimmung von formalen Merkmalen liegt in der Prozesshaftigkeit ihres Schaffens: Bei beiden Künstlern ist der Entstehungsprozess nachvollziehbar. Bei Boeckl sind es die in expressiver Manier bewusst sichtbar bleibenden Pinselstriche und das Sediment der Farbschichten, bei Josephsohn jene Spuren des Auf- und Abtragens des Gipses mit den Händen, die in die Güsse übertragen werden. Das Interesse an zerklüfteten und zernarbten Oberflächen in den Medien Malerei und Bildhauerei bringen beide Protagonisten eindrücklich zum Ausdruck.

Nicht zuletzt wird die Zusammenschau Herbert Boeckl – Hans Josephson Fragen der Existentialität im Sinne einer universellen Auseinandersetzung mit dem menschlichen Dasein aufwerfen und neue Assoziationsräume eröffnen.

 

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