Wiener Geschichten

Wienerinnen auf Reisen

Leopold Museum Blog

Ida Pfeiffer (1797–1858) und Alice Schalek (1874–1956) brachen mit den Konventionen ihrer Zeit und reisten um die Welt. Nicht nur die Bücher, Texte und Vorträge, die sie schrieben, sondern auch die Lebenswege der beiden willensstarken Frauen inspirieren und faszinieren bis heute.

Mit Fremdsprachenkenntnissen, spärlichen finanziellen Mitteln, praktischen Kurzhaarfrisuren, viel Courage und reichlich Schreibwerkzeug im Gepäck traten sie ihre ungefähr 50 Jahre auseinanderliegenden Reisetätigkeiten an. Ihrer Reiselust gegenüber standen nicht nur die Strapazen und Gefahren im Ausland, sondern vielmehr der Bruch mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen, welche das Wiener Bürgertum Frauen auferlegte.

Die verwitwete „Biedermeierdame“ Ida Pfeiffer startete im damals „hohen Alter“ von 45 Jahren ihre erste Reise, nachdem auch die Kinder außer Haus waren. Per Dampfschiff fuhr sie 1842 über Konstantinopel nach Jerusalem. Von 1846 bis 1848 begab sie sich gemeinsam mit hilfsbereiten Begleitern und einem Empfehlungsschreiben Alexander von Humboldts in der Tasche auf Weltreise. Über Brasilien, Chile, Tahiti, China, Sri Lanka (damals Ceylon), Südindien und Gebiete im Nahen Osten umrundete sie die Erde. Da Reisen zum Selbstzweck und aus Neugierde im Biedermeier als unvereinbar mit dem häuslich-passiven Frauenbild galten, verheimlichte Pfeiffer anfänglich ihre Pläne oder gab religiöse Gründe und Sammeltätigkeiten als Motive an. In ihren privaten Notizen klang jedoch immer die unstillbare Sehnsucht nach der Ferne durch:

Ida Pfeiffer vor ihrer Reise nach MadagascarIda Pfeiffer vor ihrer Reise nach Madagascar © Franz Hanfstaengl

„Allein weil diese meine Reisebegierde sich, nach den Begriffen der meisten Menschen, für eine Frau nicht ziemt, so mögen diese meine angeborenen Gefühle für mich sprechen und mich verteidigen.“

Ab ihrer ersten Weltreise las man in der Heimat begierig von ihren Erfahrungen, die sie in Zeitungsfeuilletons und Büchern festhielt. Vielfach stellten ihre Reiseerlebnisse die in der österreichischen Bourgeoisie erlernten Wertvorstellungen auf die Probe. Zu Pferd, Kamel, Esel oder bei Wanderungen verzichtete Pfeiffer dennoch nicht auf lange Röcke und verkleidete sich in China nur widerwillig zu ihrem eigenen Schutz als Mann.

Die in einer liberalen, bürgerlichen Familie aufgewachsene Alice Schalek trat beruflich in die Fußstapfen ihres Vaters im Zeitungswesen. Damaligen gesellschaftlichen Normen zuwider wurde die junge Feministin Österreichs erste Fotojournalistin und Reisefeuilletonistin und publizierte unter einem Pseudonym auch literarische Werke, nachdem sie sich entschlossen hatte, nicht zu heiraten.

Alice SchalekAlice Schalek © Österreichische Nationalbibliothek

Mit ihren über vierhundert Lichtbildvorträgen – Schalek war eine begabte Rednerin – sorgte sie in der Donaumonarchie für gefüllte Hallen. Als erste Frau trat sie in der Wiener Urania auf. Ihre 1912 erschienene Publikation Indienbummel charakterisierte sie selbst als „Plaudereien einer fröhlichen Touristin, die den Reiz alles Fremden mit Temperament genießt“. Kurz vor Kriegsbeginn kehrte sie von ihrer Reise durch Sri Lanka, Myanmar, Ozeanien und die USA zurück. Ihre Berichterstattung während des Ersten Weltkrieges wurde häufig als romantisierend und propagandistisch kritisiert. Sie distanzierte sich davon und betonte den journalistischen Anspruch ihrer Reiseberichte, die nicht nur muntere Plaudereien, sondern auch gesellschaftskritische Abbildungen von Lebensrealitäten bieten wollten. Mit aufdeckerischen Ambitionen lichtete sie als Fotojournalistin Glanz und Elend ab. Dafür überschritt sie auch so manche Grenzen, beispielsweise als sie den Elefanten eines indischen Fürsten während einer Festlichkeit anhielt, um ihn zu fotografieren. Aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln war Schalek in Österreich mit antisemitischen Anfeindungen und einem Berufsverbot konfrontiert und emigrierte 1940 in die USA.

Nicht zuletzt stellte die gewaltvoll geschaffene Infrastruktur der kolonialen Expansion eine der Grundlagen für die Weltreisen des europäischen Bürgertums dar. Auch wenn Ida Pfeiffer und Alice Schalek durch ihre Berichte zum Abbau von Stereotypen und kulturellen Differenzen beitrugen, war ihr Fortschrittsverständnis aus heutiger Sicht stark eurozentrisch geprägt. In ihrer Reiseliteratur kippt der offene und neugierige Blick auf die „Fremde“ oft in eine exotistische Perspektive. Ihre Zielstrebigkeit und ihr Mut erfüllten dennoch eine wertvolle Vorbildwirkung.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereisten Stimmungsimpressionistinnen wie Tina Blau-Lang und Olga Wisinger-Florian auf der Suche nach Bild-Motiven Europa. Die Erfindung von Farbtuben und der Ausbau weitläufiger Eisenbahnstrecken und Zugverbindungen begünstigten den Weg in holländische und italienische Landschaften. Trotz ihres Ausschlusses vom akademischen Studium etablierten sie sich auch als Frauen mit ihren herausragenden Werken im Kunstbetrieb. Nicht nur mit ihrer innovativen Malweise überwanden sie Konventionen, sondern auch durch ihre Studienreisen und ihrer Freilichtmalerei. In Zeiten, wo sogar der Besuch eines Kaffeehauses für Frauen als unangemessen galt und eine Teilnahme an Aktstudien gänzlich verboten war, erschlossen sie sich die Natur als Motiv und Atelier zugleich. Die Modeschöpferin Emilie Flöge begab sich wiederum in Paris und London auf die Suche nach Modetrends, um sie nach der Rückkehr nach Wien in die Designs ihres gemeinsam mit ihren Schwestern betriebenen Haute-Couture-Salons einfließen zu lassen.

Beitrag von Regina Reisinger