MAX

OPPENHEIMER

EXPRESSIONIST DER ERSTEN STUNDE

06.10.2023-25.02.2024

MAX OPPENHEIMER
EXPRESSIONIST DER ERSTEN STUNDE

Mit der bisher umfassendsten Retrospektive zu dem in Wien geborenen Künstler Max Oppenheimer (1885–1954) lädt das Leopold Museum dazu ein, ein bedeutendes, aber fast vergessenes Œuvre wiederzuentdecken. Die Präsentation zeigt, wie radikal sich der Maler eine sich immer wieder transformierende, originäre Handschrift aneignete und damit einen substanziellen Beitrag zur Kunst der Moderne formulierte. Oppenheimer war bereits in den 1910er-Jahren eine bekannte Künstlerpersönlichkeit. Bedeutende Galerien und Museen in Österreich, Deutschland und der Schweiz zeigten Ausstellungen seiner Werke, museale und private Sammlungen nahmen seine Arbeiten in ihren Bestand auf.

 

Kurator: Hans-Peter Wipplinger
Kuratorische Assistenz und Projektkoordination: Aline Marion Steinwender

Oppenheimer war bei vielen avantgardistischen Bewegungen als Neuerer an vorderster Stelle mit dabei: Neben Oskar Kokoschka und Egon Schiele zählt er zu jenen jungen Künstlern, die den für die österreichische Moderne entscheidenden Bruch mit den Bildtraditionen der Secession vollzogen und den österreichischen Expressionismus zum Durchbruch verhalfen. Mit Paul Klee, Alfred Kubin, Schiele und anderen wirkte er bei der Münchner Künstlergruppe SEMA mit, die 1912 in der Galerie Thannhauser ihre erste Ausstellung hatte. Auch war er hierzulande einer der Ersten, der sich mit der kubistischen Bildwelt und mit dem italienischen Futurismus auseinandersetzte, wobei er deren fortschrittliche Formauffassungen auf eine ihm eigene Weise in sein Werk integrierte. Ebenso war er Mitinitiator der Zeitschrift Die Aktion im Jahr 1911, für die er in den folgenden Jahren zahlreiche Beiträge schuf, und auch Gründungsmitglied des Züricher Cabaret Voltaire, jener dadaistischen Vereinigung, auf deren erster Ausstellung er 1917 in der Züricher Galerie Coray ebenfalls Werke zeigte. Man muss sich überdies vor Augen führen, dass er mit seinen Musikerbildern einer der Ersten war, die in neusachlicher Manier arbeiteten. Angesichts all dieser innovativen Pfade und seines erfolgreichen Karriereweges ist es umso verwunderlicher, warum Oppenheimer die entsprechende Anerkennung in den letzten Dekaden versagt geblieben ist.

Zum einen mag der Grund in seiner unsteten Lebensweise und den damit zusammenhängenden zahlreichen Ortswechseln liegen. Dieses Nomadentum war zum Teil frei gewählt, andererseits durch die Situation der beiden Weltkriege und die damit zusammenhängenden Emigrationen bedingt. Das Faktum, dass Oppenheimer in vielen Städten und Ländern lebte und arbeitete, bringt auch mit sich, dass seine Werke weit verstreut und deren Aufenthaltsorte teilweise bis heute nicht lokalisierbar sind, sofern sie nicht aufgrund ihrer Verfemung als „entartete Kunst“ während des nationalsozialistischen Regimes verbrannt oder in den Kriegswirren zerstört wurden.

  • Zur Bewerbung seiner ersten Ausstellung in München 1911 in der Galerie Thannhauser, schuf Oppenheimer ein ikonisches Plakat. Das Motiv wurde zum Skandal und die Polizei verbot es, was Oppenheimers Erfolg noch bekräftigte und den Neid eines Künstlers befeuerte: Oskar Kokoschka. Kokoschka sah in dem Plakat eine Kopie des 1910 von ihm angefertigten Sujets für die Zeitschrift Der Sturm. Die Anschuldigung wurde publik und Kokoschka ließ keine Gelegenheit aus seinen Künstlerkollegen in Briefen oder Zeitungsartikeln bloßzustellen.
  • Anders als die Begegnung mit Oskar Kokoschka sollte sich die mit dem fünf Jahre jüngeren Künstler Egon Schiele als fruchtbar herausstellen. Oppenheimer und Schiele trafen wahrscheinlich im Zuge der Kunstschau 1909 in Wien aufeinander und freundeten sich auf Schieles Initiative an. Dieser sah im Schaffen beider einige Parallelen und wollte Oppenheimer seine Werke zeigen. Dem ersten Besuch in Schieles Atelier in der Kurzbauergasse 6/23 im 2ten Wiener Bezirk folgte eine intensive gemeinsame Zeit, in denen sie ihre Pinsel und Stifte kaum beiseitelegten. Aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten, entschieden sie sich für einige Monate das Atelier zu teilen. Währenddessen porträtierten sie sich gegenseitig grafisch sowie malerisch.

„Aus einem Chaos von Empfindungen löst sich das Werk – Natur ist Vielheit – Kunst ist Einheit.“

Max Oppenheimer, 1910

Frühe Porträts

Mit der Teilnahme an den Wiener Kunstschauen 1908 und 1909 trat Oppenheimer in Kontakt mit herausragenden Vertreter*innen der Wiener Kunst- und Kulturszene und porträtierte sie.
Oppenheimers künstlerische Entwicklung hin zu einer expressiveren Ausdrucksform manifestierte sich vor allem in reduzierter Farbgebung mit einer tonigen, dem Realismus verpflichteten Malerei und dem Fokus auf die Erfassung des Wesens eines Menschen. So war Oppenheimer einer der Ersten, der die Zeitenwende hin zum Expressionismus an vorderster Front erlebte und aktiv mitgestaltete.

Besonders die psychologisch aussagekräftigsten Körperpartien – Kopf und Hände – rückten bei der Darstellung der „Menschenseele“ in den Fokus seiner Bildniskunst. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreiteten theosophischen Studien, die sich mit der Aura eines Individuums beschäftigten, prägten ebenso das Schaffen Oppenheimers. Wie ein inneres Leuchten schmiegt sich das Bildlicht um die Körper der Modelle.

Christliche und mythologische Motive

Um 1910 beginnt Max Oppenheimer sich mit christlicher Ikonografie zu befassen und schuf mehrere Werke mit entsprechenden Motiven. Dabei bettete er die Erzählungen in seine eigene Bildsprache ein und verwob des Öfteren auch Autobiografisches in seine Kompositionen, gut sichtbar in den Werken Kreuzabnahme, Simson, Geißelung oder Die Beweinung.

  • Erstmalig war das Gemälde "Die Geißelung" 1913 in der Berliner Secession ausgestellt und entwickelte sich danach zu einem der wichtigsten Werke des Künstlers. Das Zentrum der Komposition markiert die Figur des Gegeißelten. Der langgezogene Männerkörper steht direkt den Betrachtenden gegenüber, seinen rechten Arm über sein Haupt gelegt, flankiert von seinen Peinigern. Abwechselnd holen die vier um ihn gruppierten männlichen Figuren zum Schlag aus. Im Hintergrund folgen Schaulustige dem Geschehen. Der untere Bildrand wird von scharfkantig gemalten Tüchern dominiert, die wiederum in Blut getränkt sind. Die Dreieckskomposition, die sich durch die beiden Beine der Peitschenden ergibt, wiederholt sich oben in der sternförmig ausstrahlenden Konfiguration. Auffallend ist, dass Oppenheimer Christus und seine Peiniger in derselben Nacktheit darstellt und so jede Figur des Bildes austauschbar werden lässt.
  • 1911 schuf Oppenheimer im Atelier von Egon Schiele das Werk "Simson": „Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, sehen Sie bitte mein Bild (Simson) bei Schiele an, ich glaube es wird was? […] Es hat in der Tat kaum mehr als drei Farben, grau – gelb – rosa (?). Das Übrige ist hell-dunkelindifferent.“ (Brief an Arthur Roessler, 21.3.1911) Im Liebeswahn verrät Simson seiner Geliebten Delila die Quelle seiner Kraft, die er aufgrund ihres Betruges schließlich verliert. Markant wirken vor allem die Umrisslinien der nackten Körper, deren Muskeln ebenfalls auffallend betont sind. Der Hintergrund wird allein durch eine schwere Vorhangdraperie gebildet. Auch hier ist der Einfluss El Grecos (1541–1614) im Figurenaufbau deutlich erkennbar.

Leidenschaft Musik

Eine der großen Leidenschaften Oppenheimers stellte die Musik dar, mit der er bereits seit Kindesbeinen konfrontiert war. Mit dem Hess-Quartett schuf Oppenheimer 1914 sein erstes Gemälde im Kontext der Musik, zahlreiche weitere malerische Darstellungen des Musikalischen sollten bis ins hohe Alter folgen.

Insbesondere in seiner Schweizer Zeit von 1915 bis 1924 kommt es zu einer vertieften malerischen Auseinandersetzung mit musikalischen Themen. Sein Hauptaugenmerk lag dabei in der Abbildung akustischer Phänomene, die er sowohl mit futuristischen wie auch mit neusachlichen Stilmitteln kongenial übersetzte.

Im Berlin der goldenen Zwanzigerjahre

Bereits um 1930 schuf Oppenheimer eine erste Fassung der Schachpartie. Zu dieser Zeit lebte er wieder seit mehreren Jahren in Berlin und sog das Treiben der Großstadt auf. Berlin war die Metropole und der Inbegriff der goldenen Zwanziger. Oppenheimer versuchte jedoch den Zeitgeist nicht nur mit Hilfe von tanzenden Paaren oder swingenden Jazzmusikern festzuhalten, sondern auch durch die Darstellung dieses strategischen Brettspiels.

„Ich glaube, daß in dem Künstler Max Oppenheimer Geschmack und Können, Verehrung einer guten Tradition und lebhafter Neuerungstrieb in einer sehr glücklichen und ebenmäßigen Mischung sich vereinigt haben.“

Max Brod, 10.10.1908

Das New Yorker Exil

Eine im Kunsthaus Zürich geplante Ausstellung diente als Anlass für Oppenheimers Flucht vor den Nationalsozialist*innen in die Schweiz. Nach seiner überstürzten Abreise aus Wien sollte er nie wieder österreichischen Boden betreten. Als seine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz ablief, bemühte sich der Künstler, ein Visum für die USA zu erhalten. Unter Mithilfe von Freund*innen und Bekannten in New York gelang es Oppenheimer, die Dokumente gerade noch rechtzeitig ausgestellt zu bekommen: Am 12. Januar 1939 traf der Künstler im New Yorker Hafen ein. Darüber hinaus war es ihm möglich, einige seiner Werke auszuführen, und so kam es 1940 zu einer Präsentation seiner Arbeiten in der Nierendorf Gallery. Für Oppenheimer erwies sich das Exil – wie bei vielen emigrierten Künstler*innen – als äußerst prekäre Situation. Die Entwurzelung hatte Apathie und einen Stillstand seiner originären Kreativität zur Folge. Er zieht sich auf das eigene Werk zurück und wiederholt Motive aus vergangenen Zeiten. Finanziell war er auf die Unterstützung ehemaliger Wegbegleiter*innen angewiesen und hielt sich mit Porträtaufträgen über Wasser. Er bezog ein Künstlerheim in der Upper West Side Manhattans und nahm den Namen Maximilian Mopp an.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Oppenheimer erpicht darauf, das ins Exil mitgenommene Monumentalbild Die Philharmoniker (1936–51) zurück nach Österreich – „nach Hause“ – zu bringen. Die Rückkehr nach Wien war als glorreiches Comeback geplant, allerdings waren seine unermüdlichen Bestrebungen nicht von Erfolg gezeichnet: Oppenheimer verstarb 1954 vereinsamt und verarmt in seiner New Yorker Wohnung.

1912 malte Oppenheimer das Werk Operation, das einen der frühesten Museumsankäufe seiner Arbeiten darstellt und sich seit 1915 im Besitz der Prager Národní galerie befindet. In zeitgenössischen Kritiken war zu lesen: „Er komponiert sein Operationsbild so, daß die Köpfe, alles spitzige Langschädel wie bei dem Toledaner, und die Figuren der Ärzte und Studenten einen Kreistrichter bilden; in seiner Tiefe schwimmt der sezierte Leichnam mit seinem blutigen Innengekröse.“ (Kunst und Kunsthandwerk, 1912) 1951, im New Yorker Exil, nahm sich Oppenheimer erneut der Thematik an. Dieses Mal hielt der Künstler den Moment kurz vor dem ersten Schnitt fest: Noch fließt kein Blut, der ausführende Chirurg setzt mit dem Instrument erst an. Ebenso unterscheidet sich das Kolorit beider Gemälde drastisch. In der zweiten Fassung aus der Sammlung der Oesterreichischen Nationalbank bediente sich Oppenheimer einer deutlich helleren Farbgebung.

MAX OPPENHEIMER, Operation, 1951MAX OPPENHEIMER, Operation, 1951 © Sammlung Oesterreichische Nationalbank | Foto: Sammlung Oesterreichische Nationalbank


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